Der Arte Dokumentar TV-Film „Bouddhisme, la loi du silence“ berichtet keineswegs von Methoden der stillen Meditation, sondern vom Schweigen großer buddhistischer Führer in Bezug auf Missbrauchsfälle in ihren Gemeinschaften. An erster Stelle ist hier der Dalai Lama zu nennen, der seit etwa 40 Jahren von der seelischen, körperlichen und sexuellen Gewalt gegen Erwachsene und Kinder innerhalb tibetischer Klöster in der westlichen Welt und in Asien weiß und dazu schweigt.
Der Film berichtet besonders über zwei „spirituelle“ Lehrer des tibetischen Buddhismus: Sogyal Rinpoche, ein Freund des Dalai-Lama und Robert Spatz, mit geistlichem Namen Lama Kunzang. Sie sind die bekanntesten der zahlreichen Lehrer, welche Hunderte von Opfer auf dem Gewissen haben.
Sogyal Rinpoche wurde berühmt durch sein Buch „Das tibetische Buch vom Leben und Sterben“, das weltweite Verbreitung fand. Er wurde reich, baute ein großes Zentrum in Frankreich auf und gründete die Glaubensgemeinschaft „Rigpa“, die mit den Lehren des tibetischen Buddhismus übereinstimmt. In diesem Zentrum missbrauchte er Hunderte von Frauen, schlug Schüler und Schülerinnen, setzte sie psychischer Gewalt aus und führte ein Luxusleben. Er suchte sich die schönsten Schülerinnen aus, um mit ihnen Sex zu haben. Er bat sie in sein Zimmer, sperrte es ab und sagte ihnen, dass sie, wenn sie mit ihm Sex haben, seine spirituelle Energie übertragen bekommen und somit das Nirvana schneller erreichen würden. Diese Missbrauchsfälle geschahen etwa 40 Jahre lang und ließen viele schwer traumatisierte Menschen zurück.
Der Dalai-Lama, ein enger Vertrauter von Sogyal Rinpoche, wurde im März 1993 von einer Delegation westlicher buddhistischer Lehrer besucht, die ihm von den Missbrauchsfällen in verschiedenen buddhistischen Klöstern und Zentren berichteten. Sie baten den Dalai-Lama, dagegen einzuschreiten. Dieser Besuch wurde gefilmt und zeigt, dass der Dalai-Lama mit seinem Lachen auch seine Besucher ansteckte, obwohl das Thema sexueller Missbrauch von Frauen und Kindern und andere Formen von Gewalt in buddhistischen Klöstern war, was er beschönigend als „ethische Probleme“ bezeichnete. Er sagte, er habe schon zuvor von diesen Fällen gewusst, weil er oft Briefe von missbrauchten Frauen erhalten habe, die ihn um Hilfe baten. Zunächst war der Dalai-Lama bereit, einen Brief mitunterzeichnen, in dem Schüler und Schülerinnen gewarnt werden, eine sexuelle Beziehung mit ihrem Lehrer einzugehen, weil es sich hierbei nicht um einen spirituellen Akt, sondern um Missbrauch handele. Als der Brief verfasst war, unterschrieb ihn der Dalai-Lama, entgegen seinem Versprechen, nicht.
Der Missbrauch setzte sich fort. Der Dalai-Lama besuchte seinen Freund Sogyal Rinpoche mehrfach, so auch 2008 bei der feierlichen Einweihung von dessen Zentrum in Frankreich. Erst 2017 war der Dalai-Lama auf Drängen vieler buddhistischer Lehrer bereit, sich von Sogyal Rinpoche zu distanzieren mit dem Argument, dieser sei von Schülern kritisiert worden.
Der Rinpoche selbst hatte kein Schuldbewusstsein, er rechtfertigte sein Tun als „verrückte Weisheit“ (crazy wisdom), was der tibetischen spirituellen Tradition entsprechen würde. Er sagte, er habe immer mit Achtsamkeit und Mitgefühl gehandelt. Er starb 2019, bevor er gerichtlich verurteilt worden war.
Ein anderer gravierender Fall ist der des Robert Spitz alias Lama Kunzung. In seinem Kloster „Sonnenburg“ in Frankreich lebten viele Kinder, die er von ihren Eltern trennte, in einer Art Internat. Ein Portugiese namens Ricardo Mendes, eines der vielen Opfer dieses Lamas, brachte das, was in diesem Zentrum geschah, an die Öffentlichkeit. Er war mit fünf Jahren in das Zentrum gekommen und hatte seine Eltern danach jahrelang nicht mehr gesehen. Die Kinder mussten ständig beten und sich niederwerfen, sie wurden geschlagen, bekamen zur Strafe nichts zu essen und wurden der Kälte ausgesetzt. All das musste positiv gesehen werden, denn man durfte keine negativen Gedanken hegen. Die Kinder arbeiteten sieben Tage die Woche und sollten in ihrem Geist unentwegt die Gestalt von Robert Spatz visualisieren. Die Mädchen im Teenagealter wurden vergewaltigt, wobei Robert Spitz ihnen sagte, dass dadurch ihr schlechtes Karma aufgelöst würde, weil sie in ihrem früheren Leben selbst Vergewaltiger gewesen seien. So kämen sie durch eine Vergewaltigung dem Nirvana näher.
Ricardo Mendes besuchte zusammen mit anderen Opfern im Jahr 2018 den Dalai-Lama. Doch dieser sagte, wie schon beim Besuch einer Delegation im Jahr 1993: „Legt die Schuld nicht auf meine Schultern.“ Ein anderer berühmter buddhistischer Mönch, Matthieu Ricard, der im buddhistischen Kloster in Kathmandu lebt, stritt ab, von Robert Spatz‘ schrecklichen Taten gewusst zu haben. Im besagten Artefilm jedoch heißt es, er habe einen 40-seitigen Bericht über diese Gewalttaten gelesen.
Diese beiden spektakulären Skandale – Sogyal Rinpoche und Robert Spatz – sind nur zwei unter vielen anderen. Ein Journalist, der sich auf das Thema „Missbrauch im Buddhismus“ fokussiert hat, bekommt etwa jede zweite Woche einen Brief von einer in einer buddhistischen Gemeinschaft missbrauchten Frau.
Was ist der Grund dieses Verschweigens? Es geht um mehr als nur um Ehrenrettung des Buddhismus. Reiche buddhistische Lehrer wie Sogyal Rinpoche und Robert Spatz schickten Geldspenden in fünf- oder sechsstelliger Höhe an die Klöster in Kathmandu und in Dharamsala, dem Wohnsitz des Dalai-Lama und dem Sitz der tibetischen Exilregierung. Diese Zentren brauchen Geld. Das imposante Kloster in Kathmandu zieht viele junge Männer an, die Mönche werden.
Man darf nicht vergessen, dass der Dalai-Lama nicht nur eine spirituelle Autorität, sondern auch ein politischer Führer ist. Sein Bestreben ist es, die Tradition des tibetischen Buddhismus zu erhalten und Tibets Freiheit wiederzuerlangen. Obwohl der tibetische Buddhismus nur eine von vielen Strömungen des Buddhismus ist, hat er die besondere Aufmerksamkeit des Westens erhalten, vor allem, nachdem der Dalai-Lama 1989 den Friedensnobelpreis erhielt. Dazu kommen der gemeinsame Feind China und nicht zuletzt die Sehnsucht des Westens nach Spiritualität, verbunden mit Exotik.
Der Dalai-Lama wird idealisiert und politisch gepriesen, weil er die funktionalistische Weltanschauung dient, die man global schaffen will. Der Buddhismus erscheint vielen westlichen Menschen als eine reine, sanfte und gewaltlose Religion, die keine Schuld auf sich geladen hat. Während man katholische Bischöfe auf das Schärfste verurteilt, weil sie Priester, die Kinder und Frauen missbraucht haben, nicht anzeigen und des Amtes entheben, wird der Dalai-Lama, der zu den gravierendsten Fällen seit 40 Jahren schweigt, weiterhin hofiert und wird immer noch „Seine Heiligkeit“ genannt. Seine Haltung bewirkt, dass der Missbrauch in buddhistischen Klöstern weiter fortgesetzt wird. Wenigen Menschen ist bewusst, dass der Dalai-Lama um jeden Preis seine Ziele verfolgt. Er versucht, auf vielfache Weise dem Mainstream zu folgen und sich dem Westen anzubiedern. So schrieb er das Buch „Ethik ist wichtiger als Religion”, womit er genau dem Zeitgeist folgt. Ein religiöses Oberhaupt, das Religion überflüssig hält und einer weltlichen Ethik das Wort redet, ist ein Widerspruch in sich. Er scheint nicht zu wissen, dass eine von der Religion abgekoppelte Ethik nicht lange überlebt. Doch es ist das, was man im säkularen, das Christentum ablehnenden Westen hören will.
Darüber hinaus beteiligt sich der Dalai Lama an Kampagnen zur Umsetzung globaler Agenden, die darauf abzielen, die Menschen zu entpersönlichen, um sie zu bloßen funktionalen Objekten in dem zu installierenden globalen System zu machen; Religionen und traditionelle Bräuche werden als Hindernisse für die Installation eines globalen Systems betrachtet, das nur auf allgemeinen utilitaristischen, rationalen Prinzipien beruht; aus dem, was auf verschiedenen Ebenen der schulischen und sozialen Indoktrination beobachtet wird, lässt alles darauf schließen, dass auf globaler Ebene nach und nach versucht wird, eine zentralisierte Regierungsführung nach dem Vorbild des chinesischen Systems zu implementieren!
Aufsehen erregte zuletzt ein Video, auf dem zu sehen ist, dass der Dalai-Lama einen kleinen Jungen auffordert, seine Zunge zu saugen. Die Reaktionen darauf reichten von Entsetzen bis zu Verständnis. Die Frage wurde aufgeworfen: Was geschieht in buddhistischen Klöstern, vor allem mit Kindern? Man muss dessen eingedenk sein, dass kleine Jungs ihren Familien entrissen werden, weil man glaubt, sie seien die Inkarnation eines Lamas. Sie wachsen ohne Eltern in einer Gemeinschaft von erwachsenen Mönchen und Kindermönchen auf. Ihnen wird die Kindheit geraubt, sie werden traumatisiert. Es ist kein Wunder, wenn es da zu Missbrauchsfällen kommt.
Eine verwandte tibetisch-buddhistische Tradition ist der Diamantweg, der durch den buddhistischen Lehrer Lama Ole Nydahl bekannt wurde, einem Schüler des 16. Karmapa. Nydahl lebt seine Promiskuität mit Schülerinnen offen aus und behauptet, einen ganz schnellen Weg zur Erleuchtung zu bieten. Auch er bezeichnet sein Tun mit der „verrückten Weisheit“ („crazy wisdom“), derzufolge ein Meister ungewöhnliche Mittel einsetzen kann, damit Schüler schneller die Erleuchtung erlangen.
Man kann einwenden, dass all diese missbrauchten Frauen ja erwachsen und alt genug waren, um sich ihren Lehrern zu widersetzen. Doch hier werden die starke Abhängigkeit und der Glaube an die Göttlichkeit des Lehrers ausgenützt, um die eigene Lust zu befriedigen. Dass man zunächst nicht realisiert, dass man missbraucht wird, ist dem Stockholm-Syndrom vergleichbar: Man ist in einer Umgebung mit jemandem eingeschlossen, der einen täglich schlägt. Aber diese Person gibt einem auch die einzige Aufmerksamkeit, und so gelangt man in eine starke Abhängigkeit. Dazu kommt, dass diese spirituellen Lehrer oder Guru als göttlich, Buddha ähnlich und erleuchtet gelten, und von daher wird ihr Tun als unfehlbar angesehen. Aussagen dieser Lehrer, nämlich, dass auch die Gewalt der Vernichtung des Egos und der Erleuchtung dient, wirken manipulativ.
Keineswegs möchte ich sagen, dass der Buddhismus durch und durch verdorben wäre. Übergeordnete buddhistische Organisationen verurteilen immer wieder aufs Schärfste diese Missbrauchsfälle. Doch der Buddhismus sollte auf keinen Fall idealisiert werden, und man darf nicht zweierlei Maßstäbe ansetzen, wenn es um Missbrauch in östlichen und westlichen Religionen geht. Es ist bezeichnend, dass die Massenmedien die Missbrauchsfälle im Buddhismus und auch im Hinduismus verschweigen, während sie die Missbrauchsfälle innerhalb der katholischen Kirche zu einem Dauerthema machen.
Diese unterschiedliche öffentliche Behandlung hat mit der Demontage des Katholizismus zu tun, die auf einer globalistischen politischen Zielsetzung beruht.
António CD Justo und Carola Justo (1)
Spuren der Zeit: https://antonio-justo.eu/?p=8574
(1) Der Artikel gründet auf der umfassenden Sachkenntnis von Carola Justo, die sich mit dem Buddhismus und Hinduismus seit etwa 50 Jahren beschäftigt. Ihr dieses Jahr erschienener Roman „Samsara – Kreis des Lebens“, Draupadi-Verlag, 419 Seiten, behandelt unter anderem das Thema Missbrauch durch einen hinduistischen Guru.